Judith Wilske: Ermittlungen im Fall Lotta Jessen
Nach dem Roman "Kleine Schwester" von Martina Borger / Maria Elisabeth Straub
 
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Foto: Petra Bruder
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  • Konzept/Regie/Rauminstallation: Judith Wilske
  • Textfassung: Judith Wilske, Maren Simoneit
  • Dramaturgie: Maren Simoneit
  • Produktionsleitung/Presse: Andrea Tietz - att
  • Produktionsmitarbeit/Vertrieb: Christiane Martensen
  • Pressemitarbeit: Anne Kersting
  • Marketing: Benjamin Stewner / brand transfer
  • Technik/Licht/Ton: Henning Eggers, Christian Eimann, Lars Kasten, Arne Prölß
  • Darsteller: Svea Benzing (Lilly Jessen), Alexandra Schauwienold (Cora Leitner), Sebastian Dunkelberg (Hans-Jürgen Bräutigam)
  • Dauer: 1 Std. 40 Minuten
  • Aufführungsrechte: Diogenes Verlag Zürich
  • Uraufführung: Mi. 25.10.2006, 20.00 Uhr
  • Weitere Vorstellungen: Do. 26.10., Do. 2.11. bis So. 5.11.06.,  Di. 7.11., Do. 9.11., Fr. 10.11., So. 12.11. jeweils um 20.00 Uhr
  • Aufführungsort: Polizeipräsidium Hamburg, Bruno-Georges-Platz 1, U-Bahn Alsterdorf. Treffpunkt im Foyer des Haupteingangs

Eine Produktion von wilske.com, in Kooperation mit dem Hamburger Sprechwerk, der  Polizei Hamburg und  att – Andrea Tietz Theaterproduktionen. Das Projekt wird gefördert durch die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg.


Das Hamburger Polizeipräsidium in Alsterdorf öffnet erstmalig Theaterbesuchern seine Türen um im Fall einer Kindesvernachlässigung zu ermitteln. Sie sind Zuschauer einer Zeugenvernehmung: die Polizistin Cora Leitner verhört die 12 jährige Lilly Jessen, die von ihrer Pflegeschwester Lotta erzählt. Lotta wurde von den Eltern lebensbedrohlich vernachlässigt, während Lilly umhegt und umsorgt wurde. Durch Lilly erfahren Sie vom Leben der Familie, Sie werden selbst zu Ermittlern in diesem tragischen Fall und so auch mit der eigenen Verantwortung konfrontiert: „Wenn ich der Nachbar oder die Lehrerin gewesen wäre, hätte ich etwas bemerkt und unternommen?In der Öffentlichkeit sind es meist Erwachsene, die das Thema Kindesver-nachlässigung verhandeln. In der Inszenierung von Judith Wilske dagegen erzählt ein betroffenes Kind. Mit den Augen der Tochter Lilly kommt man den Tätern ganz nah – darin liegt der besondere Beitrag dieser Uraufführung des Romans „Kleine Schwester“ vom Autorinnen-Duo Martina Borger und Maria Elisabeth Straub in der Regie von Judith Wilske, bekannt geworden durch ihre ungewöhnlichen Theaterarbeiten „Why do you shop“, „’DU/Die Stadt“ und „Gertrud“.

Pressestimmen

Wilske spiegelt in ihren Performances und Rauminstallationen Wirklichkeit, bearbeitet Romanvorlagen (Einar Schleefs "Gertrud"), inszeniert authentische Atmosphäre, nicht falsches Theater. Es kommt im nüchternen Amtsraum erst gar nicht auf - trotz Wilskes zweifellos künstlerischer Gestaltung. Die Erzählung "Kleine Schwester" vonBorger/Straub nach einem wahren Fall ist ihre Vorlage. Und in der 15 Jahre alten Schülerin Svea Benzing am Gymnasium Klosterschule, die ihr auf der Straße begegnete, fand die Regisseurin eine ideale Protagonistin. Sie macht sich die traurige Geschichte einer fremden Familie zu eigen, erzählt sie völlig ungekünstelt in der ihr eigenen Sprache. Denn was sie der Polizistin (Alexandra Schauwienold) verschweigt, erfährt der Zuschauer in Monologen - wird zum wissenden und schweigenden Komplizen gemacht, der ebenfalls nicht eingreift.       

Hamburger Abendblatt, 27.10.06


Es ist ein Verdienst dieser Uraufführung, nie zu behaupten, wir erlebten leibhaftig ein Verhör. Trotzdem vergessen wir immer wieder, dass hier gespielt wird. Wir werden in den Fall Lotta hineingezogen durch die Wahrhaftigkeit und Klarheit der fünfzehnjährigen Schülerin Svea Benzing als Lilly, die in Erinnerungsmonologen - sie wird immer wieder von der Kommissarin allein gelassen - zu erklären versucht, warum alles so gekommen ist. Ihre Verzweiflung, ihre Unsicherheit, ihre kindlichen Ängste, ihre Verstocktheit, ihre Verspieltheit, alles glaubhaft. Wir verstehen den Teufelskreis von Gewalt, ohne falsches Mitleid zu empfinden
.        

Die Welt, 27.10.06


Von Anfang an merken die Zuschauer: Dieser Theaterabend wird anders. Am Eingang werden nicht die Eintrittskarten sondern die Personalausweise kontrolliert, und die Bühne ist ein Befragungsraum. Hier wurde eine Verhörsituation geschaffen, wie sie sonst nur im Fernsehen zu sehen ist. Durch eine Glasscheibe, die von der anderen Seite verspiegelt ist, guckt das Publikum in einen kargen Raum mit einem Tisch und zwei Stühlen. Befragt wird die zwölfjährige Lilly Jessen. Sie hat mehr als ein Jahr lang zugesehen, wie ihre Eltern die fünfjährige Lotta, die als Pflegekind in die Familie gekommen war, vernachlässigt haben. Das Mädchen war hin und her gerissen zwischen der Verantwortung gegenüber der kleinen Schwester und der Loyalität gegenüber den Eltern. Die waren für sie nämlich keine Monster, sondern «die besten Eltern der Welt». Die Zuschauer werden Zeugen, wie Lilly die tragischen Ereignisse rekonstruiert und nach Erklärungen sucht.

AP, 26.10.06